Die Rietberger E.U.L.E. feierte ihr 20-jähriges Bestehen und öffnete ihre Türen für Interessierte
Dieser Freitag war ein normaler EULE-Nachmittag und war es doch auch nicht, denn an diesem schönen Herbsttag öffnete unsere „Schule in der Schule“ ihre Türen für alle Interessierten, seien es nun Lehrer oder Schüler des Gymnasiums, interessierte Senioren aus der Umgebung, Vertreter der Stadt der Elternschaft, der Schulleitung oder der Presse.
„Wir versuchen den heutigen Nachmittag so normal wie möglich ablaufen zu lassen, denn die Besucher sollen ja unseren Alltag in den Kursen kennenlernen“, betont das Leitungsteam der Schule, die Lehrkräfte Christof Kleine und Sabine Ringel, sowie die zuständige Mitarbeiterin der Caritas Gütersloh, Mechtild Reker. Beide Institutionen betreiben dieses Projekt als Kooperationspartner.
Lediglich die Schülerlehrerinnen und Schülerlehrer wirkten ein wenig aufgeregt. Zwar sind sie es durchaus gewohnt, Erwachsene, nämlich „ihre“ Seniorinnen und Senioren, souverän in die Geheimnisse einer Fremdsprache oder der digitalen Technik einzuweihen, jedoch sind sie es nicht gewohnt, hierbei von ihren eigenen Lehrerinnen und Lehrern beobachtet zu werden, wie es an diesem besonderen Freitag in zahlreichen Kursen der Fall war.
„Unsere Schülerlehrer/innen arbeiten sehr selbstständig“, erklären die betreuenden Lehrkräfte, „sie planen und halten den Unterricht eigenständig in Absprache mit ihren Teilnehmern und benötigen dabei nur selten Hilfe.“ Dieses Konzept funktionierte von Beginn an erstaunlich gut, denn die älteren Schülerlehrer arbeiten ihre jeweiligen Nachfolger immer sehr gründlich ein.
Von der Zusammenarbeit zwischen Schülerlehrern und Senioren konnten sich am 9. November nun alle Gäste ein eigenes Bild machen, indem sie Kurse besuchten und sich in der angenehmen Atmosphäre der gemeinsamen Kaffeepause bei einem Heißgetränk und Keksen mit Senioren und Schülerlehrern austauschten. Auch zwei Infowände und einige Publikationen über die EULE luden die Gäste zum Verweilen ein. „Einige der heutigen Besucher werden wir vielleicht schon bald als neue Teilnehmer/innen oder als neue Schülerlehrer/innen begrüßen dürfen“, freuten sich die EULEN.
Nach diesem „anstrengenden“ Teil des Jubiläums konnten sich dann aber all die jungen Unterrichtenden und ihre Kursteilnehmer bei einem leckeren Essen im Restaurant „Zum Doppe“ in Bokel wieder entspannen – hier waren nun andere Protagonisten gefragt, denn einige der geladenen Gäste, allen voran der erste stellvertretende Bürgermeister Manfred Habig, leiteten den Abend mit Grußworten oder mit Rückblicken in die Anfangszeit der EULE ein.
Caritasvorstand Volker Brüggenjürgen hatte noch lebhafte Erinnerungen an die Gründung der EULE, da er schon damals die Entwicklungen interessiert verfolgt habe. So erinnere er sich noch an die leuchtenden Augen, mit denen der damalige Vorstand, Michael Brüggenolte, ihm von einem Fernsehbeitrag über ein Senioren-Projekt am Stuttgarter Fanny-Leicht-Gymnasium berichtete. Kurz darauf konnte Brüggenolte dann auch den damaligen Schulleiter des GNR, Peter Esser, der den Beitrag, wie sich später herausstellte, ebenfalls gesehen hatte, dafür begeistern, so etwas auch in Rietberg zu etablieren. Mit der Umsetzung seien dann konkret Mechtild Reker und ein Team aus Lehrer/innen und Schüler/innen des GNR befasst gewesen. Brüggenjürgen dankte seiner Mitarbeiterin Mechtild Reker daher auch mit einem bunten Blumenstrauß für ihr 20jähriges Engagement in der EULE. Dass eine Mitarbeiterin bei der Caritas so lange für ein Projekt zuständig sei und dieses mit nie ermüdendem Elan betreue, sei schon sehr ungewöhnlich.
Der frühere Schulleiter Peter Esser erinnerte sich noch sehr deutlich an die Reise nach Stuttgart, bei der sich eine Abordnung des Gymnasium und der Caritas über das dortige Projekt informierte und erheiterte die Anwesenden mit der Rückschau auf einige lustige oder skurrile Situationen aus der Anfangszeit der Rietberger EULE. Er berichtete aber auch von manchen Bedenken, die ausgeräumt werden mussten, ehe das Projekt damals mit 15 Schülerlehrern und 41 Senioren am GNR starten konnte.
Mechtild Reker erinnerte insbesondere an die vielen schönen Momente in diesem Projekt, an die gemeinsamen Ausflüge und Feiern und die gute Gemeinschaft zwischen Senioren und Schülerlehrern. Die allerersten Seniorenschüler seien tatsächlich zu einem Großteil die Großeltern der damalige Schülerlehrer gewesen, schnell habe sich aber dann ein viel größerer Kreis Senioren in den Kursen eingefunden. Derzeit würden ca. 100 Seniorinnen und Senioren von um die 40 Schüler/innen des GNR unterrichtet. Was geblieben sei, sei der liebevolle Umgang zwischen den Jugendlichen und den älteren Menschen aus ihrer Großelterngeneration. Inzwischen sei die EULE sogar ausgeflogen und auch an weiteren Schulen im Umkreis gelandet.
Der stellvertretende Schulleiter, Thomas Hönemann, gab sich als großer Fan der EULE zu erkennen. Denn von dieser Einrichtung profitierten ja nicht nur die Seniorinnen und Senioren, sondern ebenso die Schülerinnen und Schüler, die die älteren Menschen unterrichten.
Den durch die Übernahme von Verantwortung und den Umgang mit ihren Seniorenschülern erfolgenden Zuwachs an Selbstständigkeit und Selbstvertrauen beobachte er bei den jungen Menschen immer wieder mit großer Freude. Die älteren Leute brauchten Mut, nach Jahrzehnten wieder die Schulbank zu drücken und sich auf etwas Neues einzulassen, doch auch die Jugendlichen würden Mut benötigen, auf einmal in die Lehrerrolle zu schlüpfen und Menschen, die ihnen Jahrzehnte an Lebenserfahrung voraus seien, etwas beibringen zu wollen. Beides nötige ihm Hochachtung ab.
Zum Abschluss dankte auch der Sprecher der Seniorenschüler, Theo Stienemeier, im Namen aller Seniorenschüler/innen den jungen Leuten für ihr Engagement und eröffnete dann das Buffet für den gemeinsamen Schmaus. Mit angeregten Gesprächen ging der Abend für alle Beteiligten entspannt zu Ende.
Text: S. Ringel