„Die Hölle, das sind die anderen“

Zweimal die 7, dreimal die 6 und der Teufel – der Q1- Literaturkurs entführte das Publikum an zwei Abenden unter der Regie von Andrea Schüthuth und Regieassistenz von Jaqueline Budde und Schülerin Elisa Karl in die Lage von 7 Personen in einem Raum, aus dem es für diese kein Entkommen gibt. Nicht einmal durch den Tod. Am Ende des Stückes sitzt das Publikum vor dem Bühnenboden voll hunderter selbst gebastelter Papierschiffchen.

Was absurd klingt, begann damit, dass sich vier Frauen und drei Männer, die unterschiedlicher nicht sein können, in einem Raum wiederfinden – alle sind bereits auf tragische Weise aus ihrem eher unglücklichen Leben gerissen worden und ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihr Todesdatum: der 06.06.2006. Die Sieben nehmen unterschiedlichste Gründe für ihren Aufenthalt an: Die einen wähnen sich im Himmel, so z.B. das Paar gespielt von Melanie Fetiskin und Kevin Lewin, was den gemeinsamen Suizid gewählt hatte – überzeugend besonders beim späteren tiefen Fall aus ihrer heilen Welt: „Wie kannst du so glücklich sein, wenn du dabei mein Herz brichst?“. Andere wähnen sich im Jenseits, wie die unglückliche „graue Maus“ unter großem Dauerdruck im Elternhaus stehend (Tabea Böttinger). Ein dritter wähnt sich bloß auf Stippvisite, aus der er sich jederzeit selbst befreien kann: der Professor mit komödiantischem Talent beim Forschen, u.a. zum Einfluss der Mondphasen auf Eintagsfliegen (Greta Dreisörner).

Alle empfinden diese Situation als zunehmend auswegloser und sind zurückgeworfen auf sich selbst, ihr gescheitertes Leben, von dem sie nichts mehr rückgängig machen können. Eine offene Frage bleibt hier: In welcher Zeitform formuliert man nicht gelebte Wünsche und Träume im irdischen Leben: „Wir würden es machen? Wir hätten es machen wollen? Wir hätten es gemacht haben wollen?“

Schnell kommt es in dieser „Zwangs-WG“ zu Spannungen und Konflikten, denn die zweiten sieben „Personen“ – die Todsünden Neid (Nada Dabagh), Geiz (Nele Körkemeier), Wollust (Karoline Rehage), Trägheit (Sophie Pörtner), Völlerei (Jule Hönemann), Zorn (Irina Goss) und Hochmut (Lea Kleffmann) beeinflussen auch dort die Beziehungen – und werfen alle ihre Verführungskünste in die Waagschale. Sie haben damit zunehmend Erfolg („Wie gut, dass die Menschen so feindselig sind“) – sehr zur Freude des Hausherrn, den Teufel (diabolische Rolle: Nico Hackler).

Die 7 Dämonen nehmen in Empfang

Es wird dann in der Rückschau auf jedes Leben klar, dass der Teufel auch bei ihrem Tod immer seine Finger im Spiel hatte. So z.B. beim tödlichen „Russisch Roulette“ zwischen den zwei Gaunern (Henri Ademmer und Michelle Masannek) und der Person G-man (hält sich für „Gottes Geschenk an die Frauenwelt“: Rico Wagenknecht) oder als Arzt bei Ausgabe der Überdosis Medikamente an die Person „Schizo“- Marie (überzeugend beim Hören der inneren Stimme ihrer verstorbenen Schwester Luise: Hanna Dorenkamp).

Die Vorgeschichten:

G-Man

Währenddessen entwickeln sich unterschiedlichste Verstrickungen, Zuspitzungen und auch ungewöhnliche Allianzen in dem Raum: So z.B. zwischen Professor und dem Model (mit Leichtigkeit und Tragik zugleich: Maren Haßmann), das an einem Tag eines Fotoshootings (Fotograf: „Ich sehe es, du hast schon wieder gefrühstückt“) beschloss, nun gar nichts mehr zu essen und nun ALLES für eine Pille tut, von der Schokopudding nicht mehr dickmacht. Die Eskalation auf der Bühne schreitet voran: Unter anderem artet die Völlerei aus – der Dämon war sehr überzeugend…

Dann artet die Idee, zur Beschäftigung Papierschiffchen zu falten, in Aggressionen aus – „bei 247 eigenen Schiffchen bin ich beim Zählen gestört worden“, „die Schiffchen sind dir wichtiger als ich“, entlieben und neu verlieben, “die Schiffchen haben uns in die Verdammnis gestürzt”…

Am Ende tritt der Teufel vor das Publikum und stellt hoch zufrieden fest: „Ihr greift nach den Todsünden, ihr entscheidet euch für euer Elend, ihr seid zum Scheitern verurteilt, aber durch euch selbst. Schuld haben für euch aber immer die anderen.“ 

Die Inszenierung des Ein-Raum-Stückes wurde von dem Q1 Literaturkurs mit Humor trotz teilweise bedrückender Thematik umgesetzt und ließ den Zuschauer darüber sinnieren, ob man trotz gänzlich anderer Rahmenbedingungen den sieben Toten nicht ähnlicher ist, als man denkt, und häufig auch „nur Papierschiffchen bastelt“. Ein absurdes Jugendtheaterstück – angelehnt an Jean Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ – das den Zuschauer inmitten der Massen an gebastelten Papierschiffchen nachdenklich zurück lässt. Das Nachdenkliche nahm der stellvertretende Schulleiter Thomas Hönemann am zweiten Aufführungsabend in seinen Dankesworten an die Schülerinnen und Schüler und an das dreiköpfige Regieteam auf: „Für alle anderen ist man auch ein anderer“. Hönemann zeigte sich beeindruckt von der durchgängigen Dynamik des Stückes und davon, dass „die Rollen phantastisch besetzt“ wurden.

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